Politik

Von bigotten Klugscheissern

Ehrlich gesagt sind mir Menschen, die offen dazu stehen, dass sie keine behinderten Menschen mögen, lieber als die anderen.

„Die anderen?“ fragst du vielleicht.
Ja, genau die. Ich habe Mühe mit Menschen, die vordergründig so tun, als würden sie am liebsten jeden Rollstuhlfahrer oder Mensch mit Trisomie 21 sofort adoptieren. Das sind die Menschen, die sich dann aber aufregen, wenn Behinderte in der Brienzer Rothornbahn vor ihnen einsteigen dürfen.

Menschen, die auf dem Badiparkplatz ihren bekackten SUV so hinter einen Behindertenbus platzieren, dass die BetreuerInnen nicht mal mehr die Rampe ausklappen können.

Das sind jene Menschen, die vor Rührung fast in die Hose machen, wenn sie einen Menschen mit schwerer kognitiver Behinderung sehen, ihm grossherzig ein Käffeli im Café bezahlen, sich total geil dabei fühlen und fünf Minuten später über faule IV-Rentner schimpfen.

Das sind jene Menschen, die andere Menschen als „Autisten“ betiteln, weil das Wort grad in aller Munde ist und sie deshalb als total wortgewandt rüberkommen.

Und es sind jene Menschen, bei denen jeder zweite Satz mit „Ich bin ja total für Inklusion, aber…“ anfängt, die aber nicht mal wissen, wie man dieses Wort richtig schreibt, geschweige denn lebt.

Das sind Menschen, die Pflegende bemitleiden, dass man/frau mit behinderten Menschen arbeiten „muss“. Der Satz „ich könnte das nie“ liegt den meisten auf der Zunge. Damit ist aber nicht etwa Respekt gemeint, sondern Abscheu.

Ich weiss nicht, wie man diese Art von Menschen nennen soll. Sie sind verlogen, bigott, anstrengend und unsensibel. Der ausgelutschte Begriff „Arschloch“ triffts wohl am besten. Aber wir wollen hier ja nicht gruusig reden.

Wirklich mühsam und anstrengend ist das Auskommen mit diesen Menschen, die keine Ahnung haben, sich aber als Kapazitäten im Umgang mit Menschen mit einer Behinderung fühlen, weil sie mal eine Reality-TV-Sendung bis zum bitteren Ende geschaut haben oder aber „Rainman“ in der Sammler-Edition besitzen.

Das sind Menschen, die keine Haltung, aber zu allem eine Meinung haben und die Behinderte nicht als gleichwertige Menschen anschauen.

Und? Zu welchen zählst du dich?

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8 Gedanken zu “Von bigotten Klugscheissern

  1. Ich „könnte das auch nie“ empfinde aber grossen Respekt und Dankbarkeit für diejenigen die es können und wollen.
    Ich bin zwar selber psychisch beeinträchtigt und trotzdem habe ich Berührungsängste. Ich gehe sogar auf Abstand. Mir fällt es ungemein schwer. Trotzdem gehört es zum Miteinander Leben respektvoll zu einander zu sein und anderen ihre Räume zu lassen.

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    • du bist ja auch ein reflektierter, ehrlicher Mensch. Mir geht es übrigens gleich. Es käme mir nie in den Sinn, einfach auf Menschen mit Behinderung loszugehen, nur weil sie behindert sind. Ich kenne Situationen, wo Fremde einfach behinderte Menschen im Gesicht gestreichelt oder aber auf den Kopf getätschelt haben. Einfach nur respektlos!

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      • Gut, ich mag oft auch nicht berührt werden, da berühre ich auch keine Andern.
        Aber Grenzen gehören nicht überschritten. Behinderte sind keine Attraktion oder Menschen mit Jö-Effekt und darum auch nicht zum betatschen.

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  2. Sandra Matteotti schreibt:

    Die meisten Menschen sind einfach nicht authentisch. Sie wissen, was sich gehören würde und wollen den Schein wahren. Es gehört nun mal zum guten Ton, tolerant gegen alles zu sein und vor allem Menschen, die anders sind (aus welchem Grund auch immer) besonders toll zu finden.

    Ich verstehe aber, wenn Menschen unsicher sind. Unsicher, wie Menschen mit speziellen Bedürfnissen zu begegnen. Das ist mir kürzlich auch passiert.
    Ich hatte kürzlich in meiner Aerial Yoga Stunde einen jungen Mann mit Trisonomie 21. Ich habe mich sehr gefreut, war aber auch verunsichert, das gebe ich ehrlich zu. Wird er mich verstehen? Sieht er die Gefahr? Zwar meinte seine Schwester, er sei sehr sportlich und sie helfe ihm, war dann aber doch überfordert. Zum Glück konnte ich mir viel Zeit für ihn nehmen und half ihm dann fast durch die ganze Stunde. Es hat Freude gemacht, vor allem, da er offensichtlich Freude hatte. Aber es war zugegebenermassen eine Herausforderung.

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  3. Ich gehöre wohl auch zu beiden Gruppen. Das mit dem SUV könnte mir auch passieren,… nicht aus bösem Willen, sondern weil ich schlicht die „speziellen Bedürfnisse“ (wie dass da noch eine Rampe hinkommt) meiner Mitmenschen manchmal nicht auf dem Radar habe.
    Andererseits denke ich, dass man mit Freundlichkeit und Höflichkeit anderen Menschen gegenüber am weitesten kommt…. egal zu welcher „Schublade“ diese Menschen gehören.
    Wenn ich unsicher bin, schaue ich übrigens sehr auf meinen Sohn. Der ist da überhaupt nicht irgendwie gehemmt, sondern geht auf die Leute zu: „Sälü, bisch du berüehmt?“ (er verwechselt ständig „berühmt“ und „behindert“) das ist ein wundervoller Türöffner 🙂

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  4. Die Rampe ist im Bus drinnen und ausserhalb des Autos prangt das Behindertenzeichen. Menschen im Rollstuhl kommen nur über die Rampe in den Bus rein. der betroffene Fahrer hatte noch nicht mal den Schneid, sich bei den Leuten, die seinetwegen in der Hitze warten mussten, zu entschuldigen.

    Ich denke, dass heute sehr viele Menschen denken, sie müssten „politisch korrekt“ handeln. Das Resultat ist meistens ernüchternd.

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  5. Ich frage mich eher, wie überhaupt dieser imaginäre „Unterschied“ entsteht. Bei Menschen mit kognitiven Behinderungen kann ich Berührungsängste ein bisschen nachvollziehen, weil viele nicht in der Lage sind, einfach den Menschen anzunehmen und sich ihm anzupassen. Wenn jemand (und diese Situationen erlebe ich auch manchmal) aber sich auch rein körperlich Behinderten gegenüber unsicher/merkwürdig/besonders freundlich oder sonstwie abnormal verhält, fehlt mir jegliches Verständnis und Kreativität, um das verstehen zu können.

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