Politik

Der verdammte Mindestlohn

Wenn ich die Diskussion über den Mindestlohn mitverfolge, muss ich lachen und zwar hart. Gerade jene, die so sehr für den Mindestlohn Stimmung machen, haben nie für wenig Geld arbeiten müssen.

Ich habe vor einigen Jahren in einer 100% Stelle für brutto 1900.- gearbeitet. Manchmal reichte mein Geld gerade noch für M-Budget-Spaghetti ohne Sauce. Wenn ich weniger Geld hatte, ass ich eben gar nichts. Ich habe Wasser aus der Leitung getrunken. Bücher aus der Bibliothek ausgeliehen, weil ich kein eigenes mehr bezahlen konnte. Weil ich kein Geld für den ÖV hatte, bin ich mit meinem Töffli gefahren. Ich erinnere mich gut daran, dass der Winter besonders hart war und ich mehr als einmal Angst hatte, zu erfrieren.

Kleider kaufte ich mir keine neuen. Ich hab die Socken und Löcher jeweils einfach zugenäht. Wenn meine Freunde in den Ausgang gingen, bin ich zuhause geblieben. Manchmal lud mich meine Oma zu einem Kaffee ein. Dann hat sie mir verstohlen ein 10er Nötli zugesteckt und gemeint, ich soll mir gut schauen.

Ich hatte Glück. Ich hatte gute Zähne und war wenig krank.
Ich kriegte Krankenkassenprämien-Verbilligung. Der Ausdruck „Working poor“ traf total auf mich zu. Ich kann von Glück reden, dass ich in jener Zeit keinen Sex hatte, denn ich hätte mir nicht mal Kondome oder die Pille leisten können.
Ich hab mich für meine Armut nicht geschämt. Aber ich hab sie auch nicht akzeptiert.

Warum ich das schreibe?
Es ärgert mich, wenn Menschen über etwas reden, das sie nie erlebt haben. Bei vielen Protagonisten der linken (und auch bei nicht wenigen der rechten) Parteien trifft das leider zu.

Die wirkliche Demütigung folgte kurz später. Ich begann mit meiner zweiten Ausbildung. Die Ausgaben dieser Ausbildung konnte ich nicht von den Steuern abziehen. Ich sah den Grund nicht ein, denn ohne die Ausbildung wäre ich weiterhin arm geblieben. Ich erhob Einspruch gegen meine Steuerveranlagung.

Ich musste mich rechtfertigen vor einem Steuerbeamten, der mich wohl lieber in der Sozialhilfe gesehen hätte. Er faselte etwas von sozialem Aufstieg. Ich könne froh sein, wenn ich meinen Englisch-Kurs von den Steuern abziehen könne und überhaupt, was mir einfalle einfach, Einspruch zu erheben und seine Zeit zu stehlen.

Das war für mich, die ich nie staatliche Hilfe in Anspruch nehmen musste, ein Schlag ins Gesicht.

Anstatt einen Mindestlohn auszuzahlen, ist es doch sinnvoller die steuerliche Belastung für Menschen, die tagtäglich für wenig Geld arbeiten, zu senken. Wenn sie denn eine (neue) Ausbildung machen, sollten sie diese abziehen können. Jemandem vorzuwerfen, dass er sich weiterbildet, ist eine Farce und eine Beleidigung für jeden denkenden Menschen.

Ich werde Nein stimmen.

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Ein Gedanke zu “Der verdammte Mindestlohn

  1. Liebe Zora
    aus Deiner Begründung ist mir jetzt nicht klar, warum Du nein stimmst. Darum, weil Du keine steuerlichen Abzüge machen durftest? Das sind doch 2 total verschiedene Paar Schuhe. Weiterbildungsabzüge sind übrigens z.T. kantonal geregelt… nur so nebenbei.
    Leute die wenig verdienen, zahlen schon sehr wenig Steuern. Diese zu reduzieren, würde den Menschen über das ganze Jahr hinweg gesehen, kaum helfen.
    Schade, wenn Du offensichtlich das eine gegen das andere ausspielst. Beides wäre wichtig. Über eines davon können wir jetzt wenigstens abstimmen.

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