Unter Anprangerung von „Ungerechtigkeit“, ein Schlagwort, dass unsere liebe SVP bisher noch nie für sich in Anspruch genommen hat, sollen wir Stimmbürger nun also zur „Familieninitiative“ ja sagen.
Was auf den ersten Blick nett aussieht, birgt aber ein nicht zu unterschätzendes Risiko für die Frauen in sich.
Noch vor ein paar Monaten skandierte die SVP mit den Staatskindern und plädierte dafür, dass Familie Privatsache sei. Dem widerspreche ich ja nicht einmal.
Dennoch ist doch folgendes zu bedenken:
Jedes Paar, das Kinder kriegt, überlegt sich vorher (hoffentlich!) genau, wer welche Aufgaben übernimmt. In den meisten Fällen ist es so, dass die Frau sich die ersten Monate ums Kind kümmert. Wenn der Mann Glück hat, kriegt auch er Elternzeit. Danach läuft es entweder darauf hinaus, dass jemand zuhause die Kinder erzieht (meistens ist sie das, weil er eh besser verdient und wahrscheinlich keine gesteigerte Lust auf Hausarbeit hat) oder dass beide arbeiten gehen müssen, weil sie keine andere Wahl haben.
Die Familieninitiative unterstützt ganz klar, dass es sich eben nicht mehr lohnt, arbeiten zu gehen. Was als nächstes folgt, ist ja wohl klar:
Da in unserem schönen Lande noch immer das Motto „Mutter ist die beste“ herrscht, werden all die Mamis zuhause bleiben (können). Denn: Es lohnt sich nicht mehr, eine Krippe zu beanspruchen und mehr Steuern zu bezahlen, wie dann, wenn beide arbeiten gehen. Steuerabzüge für Krippen hin oder her: Die Frau bleibt aus dem Job. Zumindest dann, wenn das Haushaltseinkommen einen entsprechenden Steuerabzug zulässt..
Denken wir ein bisschen weiter.
Wir nehmen diese „Familieninitiative“ an, die in Wirklichkeit „Zurück an den Herd, törichte Weiber“ heissen sollte, und werden sehen, dass gerade in den mittleren und unteren Bevölkerungsschichten die Frauen zuhause bleiben werden. Nur dass davon kaum wer profitiert, da sie eh keine Bundessteuer zahlen, also auch keine Abzüge machen können. Bei 100.000 Franken Haushaltseinkommen beläuft sich die gesparte Steuer auf etwas über 2500 Franken. Bei 60.000 Franken Haushaltseinkommen (Untere Schicht) sind’s noch 200 Franken.
Das ist wirklich fair, oder?
Dabei sollte doch jede Frau die Wahl haben und das nicht vom steuerlichen Abzug geltend machen müssen.
Dies in Zeiten des „Fachpersonenmangels“ so zu propagieren, ist ein Witz.
Ein anderer Punkt, der zumindest mich heftig stört, ist das nebenbei geworfene Schlagwort „Förderung der traditionellen Familie“. Bitte verstehen Sie mich richtig: ich finds toll, wenn Menschen eine Familie gründen. Aber bei traditionell werde ich hellhörig. Unnötig darauf zu verweisen, dass die sogenannte „traditionelle Familie“ ein Nachkriegskonstrukt ist.
„Traditionell“ in dem Sinne würde doch eher bedeuten, dass beide Eltern berufstätig sind und die Grosseltern die Kinder betreuen. Welcher 55jährige ist denn heute noch zu diesem Full-time-Freiwilligen-Job bereit?
Ein weiterer Punkt, den ich irgendwie nicht verstehe, ist die Parallele zur 1:12 Initiative, die ich zugebenermassen auch nicht das Gelbe vom Ei finde. Die SVP argumentiert hier vehement mit „enormen Steuerausfällen“, die im Zusammenhang mit der Familieninitiative plötzlich keiner Erwähnung mehr wert sind. Nein, „wir werden sehen, ob die Familien dem Stimmvolk es wert sind“, wie Frau Uebersax, „Präsidentin SVP Frauen Schweiz“ in 10 vor 10 verlauten liess.
Was jetzt?