Ich lasse mich gerne fotografieren.
Das war nicht immer so. Als Kind und Teenager habe ich es gehasst. Als junge Frau war ich unsicher diesbezüglich. Jetzt mag ich es. Ich kenne meine schöneren Seiten und ich weiss genau, wann ich unvorteilhaft aussehe.
Lächle!
Schon als Kind konnte ich auf Fotos nicht lachen.
Das lag nicht daran, dass ich grundsätzlich nicht lachen konnte.
Es war viel eher so, dass ich auch heute, nach bald 36 Jahren, nicht künstlich lachen kann.
Das Blecken meiner Zähne ist nicht mein Ding. Ich bin kein Raubtier.
Das Hochziehen meiner Lippen, meiner Mundwinkel, kann ich nicht auf Kommando leisten.
Im Kindergarten und in der Schule geriet ich mehr als einmal an den lustigen Fotografen, dessen Bemerkungen mich weniger zum Lächeln brachten. Er wurde wütend, weil ich auf seinen Portraitbildern nicht lachte. Trotz seines verdammten Scheiss-Cheese! Ich zweifelte an mir, weil andere das konnten, ich aber nicht. Was lief falsch mit mir?
Dann, vor ein paar Jahren sah ich einen wunderbaren Dokumentarfilm über Thomas Mann.
Von ihm gibt es keine Schnappschüsse, weil man damals so was einfach nicht machen konnte. Zu Mann hat keiner gesagt: „Lächle mal, Thomas! Mach nicht immer so ein ernstes Gesicht.“ Im Gegenteil.
Aber irgendwie ist das heute anders. Den Männern steht man den ernsten Ausdruck noch zu, schliesslich tragen sie Bärte und Verantwortung, den Frauen jedoch gar nicht. Offensichtlich fürchtet sich die Mehrheit vor Frauen, die auf Bildern ernst schauen. Nicht lächeln ist ungut. Krank. Man könnte ja depressiv sein.
Mehr als einmal schon wurde ich mit den Erwartungen meines unmittelbaren Umfelds konfrontiert: Lächle!!
Was ist das bloss für eine seltsame Sache? Ich bin doch keine Grinsekatze. Ich bin ein Mensch. Ferndiagnosen jeglicher Art sind fehl am Platz.
Und ich stelle eine weitere Frage:
Was gibt anderen Menschen das Recht, sich über das Gesicht eines anderen Menschen zu äussern? Wo fängt das Private an? Wo hört es auf?
Ich konnte auf Schulfotos ebenfalls nicht lachen – oder generell. Ich habe einfach eine Grimasse gezogen, die ich mir zusammengeschustert hatte, nachdem mir jemand das Konzept des »Lächelns« erklärte. Muskulatur um die Augen entspannen, Mundwinkel hoch; falls die Zähne nicht zu gelb sind, diese zeigen.
Ich versteh’s immer noch nicht. Und die damaligen Schulklassen-Fotografen (waren immer ungewaschene Herren so um die 30 rum) hatten’s wohl auch nicht verstanden. Anders kann ich mir nicht erklären, dass sie mit flachen Witzen und Kommentaren versuchten, ein echtes Lachen oder zumindest ein Lächeln zu provozieren. Das Einzige, was sie hinbrachten, war so etwas wie eine kollektive Hysterie; man lachte über jeden Scheiß, weil alle drumrum lachten.
Mag ich nicht.
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zu dem thema wäre doch ein photo schön, bei dem die untere gesichtshälfte zu sehen ist … im gegensatz zum anderen 🙂
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Herrlich. Erfrischend. Und ich denke an unseren ältesten Sohn, der dies wohl fast genauso hätte schreiben können. Er hat den Schulfotografen (das wäre auch mal ein Thema…diese Schulfotos…) immer damit geärgert, dass er statt „Cheeeeeese!“ jedes Mal „Cheeeeseböööörger!“ rief – und natürlich fotografierte der gute Mann immer genau beim „öööö“ Ob und wann du lächelst oder lachst….von WEM du dich zum lächeln bringen lässt…worüber du lachst und worüber du weinst: DAS sind die Dinge, die wir uns nicht vorschreiben lassen (sollten).
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„Kannst du überhaupt lächeln?“ Diese Frage wurde mir auch oft gestellt. Wenn ich fotografiert werde, erlebe ich das zwar noch immer, weil ich, obwohl ich das Gefühl habe zu lächeln, das offensichtlich nicht wirklich tue, jedenfalls nicht so, dass es für andere sichtbar wäre. Damit das der Fall ist, muss ich – für mein Empfinden – richtig übertrieben grinsen. Da ich mir dessen nun bewusst bin, „grinse“ ich eben, wenn mir daran liegt, dass jemand, der mich nicht gut kennt, sieht, dass ich lächle. Und offenbar kommt es bei anderen freundlich an, nicht als „grinsen“, wie ich es empfinde.
Am schlimmsten empfand ich diese Frage nach meiner Fähigkeit zu lächeln aber als ich noch jünger war. Von meiner Teenagerzeit an bis vor wenigen Jahren, wurde mir diese Frage oft gestellt, sei es bei der Arbeit, im Ausgang, usw. Ich bin eine eher ernste Person und lächle nicht jeden an. Ich kann nachvollziehen, dass dies einige Leute verunsichert. Das gibt aber niemandem das Recht, mich mit solchen Fragen implizit zu kritisieren oder sich über mich lustig zu machen. Ganz und gar daneben waren Bemerkungen wie: „Frauen sollten immer lächeln“ Was für ein perverses Frauenbild ist das denn?
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Darf ich kurz die Sozialpsychologin raushängen lassen?
Lächeln hat – bei den Menschen aber auch anderen Primatenarten – eine wichtige gesellschaftliche Funktion: Es zeigt Demut an, Unterlegenheit, nicht-angriffsbereitschaft, Sympathie, „ich tu dir nichts“.
Deshalb wird Nicht-Lächeln bei Frauen vom Gegenüber oft schon als Aggression wahrgenommen, aber immer als Ablehnung des Gegenübers.
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