Frauenquote ist für mich ein leidliches Thema.
Ich gebe es zu, ich bin ambivalent.
Der Ausdruck „Frauenquote“ ist negativ besetzt und dabei hängt eigentlich eine grosse gesellschaftliche Grundsatzfrage, bei der es sowohl um Mann und Frau, als auch um Familie, Verantwortung und sehr viel Geld geht, an diesem einen Wort.
Zuhause fängt es an!
Ich bin es von zuhause aus nicht gewohnt, dass eine Frau als besonders schützens- oder fördernswerts behandelt wird. Im Gegenteil. Väterlicherseits waren die Frauen als Bäuerinnen tätig und gleichberechtigt in dem Sinne, dass sie im Betrieb voll mitarbeiteten und quasi nebenbei ihre Kinder aufzogen. Für eine Erziehung im eigentlichen Sinn hatten sie nicht sehr viel Zeit. Sie waren jedoch gleichberechtigt als Beteiligte einer Arbeitsgemeinschaft.
Mütterlicherseits waren die Frauen ebenfalls alle berufstätig. Sie arbeiteten in der Industrie oder im Verkauf. Sie hatten zwar Kinder, doch erzogen und betreut wurden diese von den eigenen Eltern. Meiner Grossmutter beispielsweise blieb gar nichts anderes übrig, arbeiten zu gehen, da mein Grossvater im Laufe der Spinnereikrise immer wieder arbeitslos wurde. Dass mein Grossvater einen einfachen Beruf lernte, lag begründet in der Tatsache, dass er mit knapp 20 unternährt und sogenannt „schwächlich“ in den Aktivdienst einbezogen wurde. Meine Grossmutter selber hat gar nie einen Beruf gelernt, sondern musste mit 15 oder 16 in einer Strumpffabrik arbeiten, um das Budget ihrer Familie aufzubessern. Dass sie aus der Fabrik rausgekommen ist, hat sie ihrem Talent und ihrer freundlichen Art zu verdanken.
Meine Eltern waren ebenfalls beide berufstätig. Allerdings hatte ich das Glück, dass mein Vater als Hauswart einer Schule zwar 100% und mehr arbeitete, aber für uns Mädchen immer erreichbar und damit präsent war. Meine Mutter arbeitete bei der Reinigung des Schulhauses mit. Wirklich glücklich wurde sie aber erst, als sie wieder auswärts im Verkauf arbeiten konnte.
Ich habe das Glück, eine Stiefmutter zu haben, die ihr Führungstalent ebenfalls immer und ohne Einwände meines Vaters ausüben konnte. Ich erlebte so von nahem, dass ein Mann stolz auf seine Frau ist, die fähig ist, eine Gruppe zu führen und ein Ziel zu erreichen. Das machte mir Mut.
Und was ist mit mir?
Ich habe also das Glück, in einer Familie aufgewachsen zu sein, wo es ganz normal ist, dass eine Frau einen Beruf lernt und diesen ausübt. Es ist in meiner Familie normal, dass Frauen Führungsverantwortung übernehmen. Allerdings muss ich auch bemerken, dass es bis zu meinen Eltern normal war, dass die Grosseltern die Kinder aufziehen und betreuen. Wenn ich selber Kinder hätte und meinen bisherigen Beruf, in der jetzigen Funktion auch nach einer Schwangerschaft ausüben wollen würde, wäre dies unmöglich. Mein Vater und seine Frau sind zwar 65 und 60, sind aber nicht bereit, Kinder regelmässig zu betreuen. Auch für meinen Freund wäre die Erziehung von Kindern aufgrund der selbständigen Tätigkeit nicht möglich. Mein Arbeitgeber bietet keine Kinderkrippe an und in der Umgebung gibt es auch keine freien Plätze, da sogar eine Krippe geschlossen wurde.
Bei mir selber fängt es an.
Eine Frauenquote, die daher kommt mit „Förderung von Frauen um jeden Preis“ lehne ich ab. Keine Frau hat es nötig, ein „Geschenk“ zu kriegen, das lediglich auf ihr Geschlecht zielt. Eine Frauenquote im Hinblick auf gesellschaftliche Veränderung jedoch macht Sinn. Es braucht ein Umdenken.
Es braucht Frauen, die andere Frauen fördern. Die Förderung fängt damit an, ihr Selbstbewusstsein zu stärken, sie zu unterstützen und auch Grenzen aufzuzeigen. Frauen in Führungspositionen sollen Ausschau nach jüngeren, fähigen Frauen halten. Das birgt natürlich ein gewisses Risiko. Frau muss sich klar positionieren.
Führung und Sozialbereich
Sogar in meinem Arbeitsbereich, wo ein Grossteil weibliches Personal arbeitet, sind die Führungspositionen von Männern besetzt. Das ist meines Erachtens ärgerlich. Denn gerade im Sozialbereich herrscht noch immer ein seltsames Führungsverständnis, das seinesgleichen sucht. Jahrzehntelang waren hier Führung und Macht Tabuthemen. Deshalb herrschte eine gewisse Orientierungslosigkeit, als plötzlich auf Wohngruppen Gruppenleitungen verlangt wurden. In vielen Heimen wurden dann männliche Mitarbeiter, die schon lange Dienst taten, zu Vorgesetzten. Meistens waren das Personen, die sich diese Tätigkeit nicht ausgewählt hatten, diese aber im Sinne der Gemeinschaft ausübten. Das Resultat ist ja klar. Führung, die nicht bewusst und lustvoll ausgeübt wird, verfehlt ihr Ziel und bringt langfristig nur Probleme.
Weibliche Führungskräfte wurden wohl schon immer zwiespältig angesehen. Für gewisse Männer und Frauen ist es einfach nicht logisch, dass ihnen eine Frau sagt, wie der Laden läuft. Allerdings nehme ich die Reaktion auf männliche und weibliche Führungskräfte unterschiedlich wahr. Von Männern erwartet man, dass sie hart und klar sind und sich keine Schwächen erlauben. Von weiblichen Führungskräften erwartet man, dass sie weiblich oder gar mütterlich sind und sich keine Schwächen erlauben. Das klingt auf den ersten Blick logisch. Doch das Problem ist tiefgründiger zu suchen. Frauen, die klar führen, spricht man(n) die Weiblichkeit ab. Diesen Vorwurf haben viele meiner Kolleginnen und auch ich immer wieder zu hören gekriegt. Er ist beleidigend und verletzend.
Nachwuchsförderung fängt bei einem selber an
Ich würde mir wünschen, dass Vorgesetzte bewusst Nachwuchsförderung betreiben. In meinem Fall sieht das so aus, dass ich bewusst meine weiblichen Mitarbeiterinnen fördere und mit ihnen auch immer wieder Führungsthemen anspreche. Ich erreiche damit, dass sie hineinwachsen und es für sie normal wird, Verantwortung zu übernehmen und eine Gruppe anzuführen. Die andere Form der Frauenförderung besteht darin, dass ich „das Risiko eingehe“, alleinerziehende Frauen und Männer zu beschäftigen. Gerade Alleinerziehende stehen unter besonderem Druck, wenn ihr soziales Netz nicht so dicht gewebt ist. Durch diese bewusste Entscheidung unterstütze ich einerseits fähige Mitarbeitende und sorge in einer Vorbildfunktion dafür, dass auch meine Lernenden mitkriegen, dass es normal ist, auch so zu leben. Das Verständnis wird grösser.
Bürokratie vs. private Initiativen
Meine Hoffnung wäre ja eigentlich, dass es keine Frauenquote bräuchte, sondern Frauen einfach so Jobs übernehmen könnten, ohne sich zu hinterfragen, was es für ihre Familien bedeutet. Ich würde mir wünschen, dass private Projekte, (die übrigens schon immer von Frauen aufgezogen wurden) ohne langen Papierkrieg umgesetzt werden könnten. Das professionelle Kinderbetreuungssystem ist nämlich viel zu teuer und krankt aufgrund der Ausnutzung von Frauen (Lernende, Praktikanten, die für einen Hungerlohn arbeiten, usw.). Leider sind die bürokratischen Hürden hoch und in Quartieren ist es praktisch unmöglich, Angebote für Kinder zu starten, weil sich die ach so fitten 60jährigen davon gestört fühlen könnten.
Toleranz kann man weder staatlich erkaufen noch verlangen. Doch ich sehe das folgendermassen: Meine 85jährige Oma kann ich fremd betreuen lassen. Ich kriege Hilfe dafür. Über ein Altersheim beschwert sich keiner. Das ist mit Kinderhorten schon anders. Schade.
Erziehung soll zuhause passieren? Wo bleiben dann die Männer?
Dass sich eine Frau bei der Stellensuche rechtfertigen muss, dass sie Kinder erzogen hat, ist pervers. Dass sie sich heute zumindest bei gewissen Ausbildungen diese Zeit anrechnen lassen kann, ist ein kleiner Entwicklungsschritt. Männern scheint dieser Weg verschlossen, da man von ihnen erwartet, immer voll einsatzfähig und stark zu sein. Sie werden schief angesehen, wenn sie weniger als 100% arbeiten wollen. Low Achiever unzo. Dabei finde ich es gerade für Kinder sehr wichtig, dass sie ihre Väter aus der Nähe erleben. Aus eigener Erfahrung kann ich so sagen, dass man so den eigenen Vater nicht nur als Phantom, sondern als Menschen erlebt.
Warum ich das schreibe?
Ich ärgere mich über (vermeintliche) political correctness, die nicht von Herzen kommt, sondern nur aus Nachplappern von Phrasen passiert. Gerade die Auseinandersetzung mit der Frauenquote ist ein gutes Beispiel dafür.
Danke für den interessanten Artikel – was mich noch interessieren würde, wie man die Problematik denn lösen könnte (aus deiner Sicht)? Also sicherlich die unbürokratischen Privatlösungen, sowie die Mitarbeit der Männer, aber lösen diese zwei Dinge die Problematik? Und grundsätzlich: Frauenquote ja oder nein?
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